Die Endlichkeit des Seins! Nichts ist uns so sicher, wie der eigene Tod!
- Sabine Koch
- 22. Feb. 2016
- 4 Min. Lesezeit

Meine erste Begegnung mit dem Tod, ist schon eine Ewigkeit her.
Im gleichen Haus, in dem auch meine Freundin wohnte, lebte eine Familie mit 3 Söhnen.
Der Älteste von ihnen hieß Uwe und war schon ein Schulkind, während meine Freundin und ich noch den Kindergarten besuchten.
Uwe war ein furchtbarer Zeitgenosse.
Andauernd lauerte er uns irgendwo auf, stand in dem Zuweg zu ihrem Haus, ließ meine Freundin nicht hinaus oder mich nicht hinein und verlangte eine Art Wegezoll, der aus Kleingeld, Süßigkeiten oder Spielsachen bestand.
Er tyrannisierte uns täglich, war extrem unangenehm, machte uns Angst.
Ich hätte ihn gerne weggehext und wir konnten unser Glück gar nicht fassen, als Uwe plötzlich krank wurde und sogar eine Weile später starb.
Natürlich war das eine Tragödie, die ich aber damals nicht verstand.
Ich war einfach nur glücklich ihn los zu sein. Es machte unser Leben leichter.
Er war an Leukämie gestorben.
Die Todesfälle, die sich später ereigneten waren für mich mit Verlustgefühlen verbunden.
Meine Großeltern waren zwar schon älter, ich hätte sie aber gerne noch ein paar Jahre um mich gehabt und als ich 14 Jahre alt war, starb meine Klassenkameradin Beate bei einem Verkehrsunfall.
Ein Autofahrer hatte Beate auf einem Feldweg umgefahren, als sie mit ihrem Rad auf dem Heimweg war.
Der Fahrer ist dann einfach davon gefahren, während sie im Graben verblutete.
Meine Eltern waren so geschockt, dass sie mich noch nicht mal zu ihrer Beerdigung gehen ließen, vielleicht weil sie fürchteten, dass der Tod ansteckend sein könnte.
1988 starb dann meine beste Freundin Bettina, ebenfalls bei einem Verkehrsunfall.
Sie war an dem Nachmittag davor noch bei mir. 24 Jahre alt und das blühende Leben.
Ich habe noch heute die Szene vor mir, wie sie auf meinem Sofa saß, sich die Nägel feilte und versuchte, mich zu überreden, abends mit ihr weg zu gehen.
Sie hatte Urlaub und da sie zuhause geblieben war, hatte sie Langeweile.
Alle Freunde arbeiten und wollten unter der Woche nicht weggehen.
Ich hatte zu der Zeit Blockunterricht und musste am nächsten Morgen früh in der Schule sein.
Ich stand kurz vor den Abschlußprüfungen zur Krankenschwester und konnt es mir nicht erlauben, unausgeschlafen in der Schule zu sitzen und nicht aufnahmefähig zu sein.
Ich gab ihr einen Korb.
Bettina hatte es an diesem Abend doch noch geschafft, einen Bekannten zu überreden, etwas mit ihr zu unternehmen.
Fatal daran war, dass sie kurz zuvor noch behauptet hatte, mit diesem Bekannten nie wieder im Auto mitfahren zu wollen, weil er so raste.
Auf dem Rückweg von Essen nach Dortmund sind die Beiden in einer Baustelle durch überhöhte Geschwindigkeit in den Gegenverkehr geraten. Bei dem Unfall gab es mehrere Verletzte, Bettina als Beifahrerin war tod.
Was mir noch lange ein Schuldgefühle gab, war der Gedanke, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn ich mich überreden lassen hätte, den Abend mit ihr zu verbringen.
Ewigkeiten habe ich mich mit diesem "hätte und wäre" gequält.
Es fiel mir unendlich schwer Bettina los zu lassen und noch Monate später hatte ich das Bedürfnis, zum Telefon greifen zu müssen, um sie anzurufen.
Durch dieses Ereignis bekam ich Angst vor dem Tod, weil er mir seine Endgültigkeit und Gnadenlosigkeit demonstriert hatte.
Ich habe heute noch Angst, dass mir soetwas wieder passiert und ein Mensch, der mir viel bedeutet, nicht mehr wieder kommt.
Über mein eigenes Ableben mache ich mir andere Gedanken.
Auf gar keinem Fall möchte ich krank sein und leiden, bevor ich dann sterbe und ich möchte auch nicht in einem Altenheim sitzen und vor lauter Alsheimer nicht mehr wissen, wer ich bin.
Im Koma möchte ich auch nicht liegen.
Ihr seht, ich habe da keine besonderen Wünsche, wahrscheinlich nur die, die Ihr auch habt.
Blöderweise kann man sich das aber nicht aussuchen, denn auch das Sterben ist kein Wunschkonzert.
Ich stelle mir den Tod gar nicht schlimm vor, wohl eher das, was davor kommen kann.
Vielleicht haben wir Einfluss darauf, indem wir so leben, wie es unserer Natur entspricht, jeder nach seinem Geschmack und am Ende gehen wir erschöpft und ausgepowert heim.
In meiner Krankenschwesternzeit bin ich dem Tod oft begegnet.
Eine Geschichte ist mir in bleibender Erinnerung gebleiben und ich möchte sie Euch erzählen.
Ich habe auf einer Inneren Abteilung gearbeitet und eine alte Dame lag dort im Sterben.
Sie war klar und ansprechbar und sah dem Ende sehr entspannt entgegen.
Der Chefarzt der Station bat mich, bei ihr am Bett zu sitzen, wann immer ich etwas Zeit habe, denn sie habe keine Angehörigen mehr und würde mich gerne mögen,
Ich war etwas erschrocken, habe mich aber dann dieser Aufgabe, in den kommenden Tagen sehr intensiv gewidmet.
Damals tickten die Uhren in Krankenhäusern auch noch etwas anders, als heute.
Es gab noch Zivildienstleistende und auch sonst war meist ausreichend Pflegepersonal auf den Stationen, außerdem habe ich in einem kleinen Krankenhaus in Bochum Linden gearbeitet, in dem es damals sehr familiär zuging.
Von nun an saß ich die nächsten Tage bei jeder Gelegenheit an ihrem Bett, kam früher zu meiner Schicht und ging später und redete mit der alten Dame, wann immer sie wach war.
Ich hielt ihre Hand und kümmerte mich liebevoll um sie.
Zum Dank erzählte sie mir aus ihrem Leben.
Sie hat nichts in ihrem Leben bereut, hat alles gemacht, was getan werden musste und in vollen Zügen die schönen Dinge genossen, wenn es das Leben zuließ, obwohl sie es nicht leichter hatte als alle anderen. Sie hatte viel erlebt und gesehen, eine lange Ehe geführt. Kinder habe sie leider keine bekommen können, was sie schade fand aber verarbeitet hatte.
Sie war mit sich und ihrem Leben im Reinen.
Sie ist ganz friedlich eingeschlafen.
Ich habe dabei neben ihr gesessen und gehört, wie ihr Atem immer seltener wurde, die Pausen zwischen den einzelnen Atemzügen länger wurden, bis sie irgendwann gar nicht mehr geatmet hat.
Ich habe nie wieder jemanden so entspannt und friedlich sterben sehen.
Wenn ich heute darüber resümiere, dann denke ich, dass sie sich an nichts in dieser Welt festgeklammert hat.
Sie hatte ein erfülltes Leben und trug keine unerledigten Dinge mit sich rum.
Sie konnte entspannt los lassen.
Vielleicht ist das der Trick bei der Sache, denn mal ehrlich, wer kann das von sich behaupten?
Wir werden alle sterben, einer früher, einer später, aber nichts ist uns so sicher, wie der eigene Tod.
In diesem Sinne, wünsche ich Euch ein schönes, erfülltes Leben und einen friedlichen, entspannten Tod.
Eure Sabine
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